Punk, HC, Crust & Oi!

Okay, als ob es nicht schon genug deutschsprachige Punk-Bands geben würde ... Nein, weit gefehlt! Also müssen die Niederländer RAZORBLADE auch noch eine auf deutsch gesungene CD auf den Markt werfen. Diese nennt sich »Gegen die Klasse« und enthält zehn gediegene Punk 'n' Roller mit Oi!-Schlagseite. Kommt gut. Ganz ohne Frage. Unabhängig der Herkunft. Vielleicht gibt's im Gegenzug ja auch 'ne deutschsprachige Combo, die ein Album auf holländisch einsingt. Sollte man FREIWILD (aus Südtirol) mal vorschlagen, die verstehen sich ja als internationaler Act ...

VIOLENCE APPROVED liefern auf »No free Rides«ziemlich New-York-lastigen Hardcore mit Metal-Kante. Sicherlich haben sie das Rad nicht neu erfunden und der Sound bleibt doch recht dünn, was dem Material einiges an Durchschlagskraft nimmt. Ein paar Mosh-Parts und ruhigere Passagen lockern den Sound auf.

Auch bei SELFISH HATE knarrt es mehr in den Boxen als daß es kracht. Tja, gerade beim Old-School-Hardcore ist eine gute Produktion bereits die halbe Miete. Davon sind SELFISH HATE auf »Unbreakable« aber leider weit entfernt. Der Gesang ist sehr eindimensional, tempomäßig hält man sich zum Glück zurück. Eine ziemlich unausgereifte Angelegenheit!

Und auch bei SHOTGUN SHELL wird's kaum besser. Hier geht man sogar zu den frühen SHEER TERROR zurück - freilich nur was den blechernen Klang angeht, leider nicht die durchschlagende Aggressivität von Paul Bearers Jungs. »Attitude« ist nur eine EP mit acht Tracks. Wahrscheinlich eine Art Versuchsballon. SHOTGUN SHELL haben zwar das Herz am richtigen Fleck aber auch noch einen weiten Weg vor sich ...

IN THE EVENT OF FIRE (ebenfalls aus Deutschland) gehen dagegen wesentlich melodischer zur Sache. Grob gesehen bietet »Black Doves rise« Emo-Core, was nun wirklich nicht mein Fall ist. Für die Anhänger der einschlägigen Bands sind die acht Songs aber bestimmt konkurrenzfähig. Der Gesang ist zum größten Teil melodischer Art, Screamo-Ausbrüche bieten die Ausnahme!

Orange County war eigentlich schon immer ein guter Platz für Hardcore Punk. Eben aus dieser Ecke kommen STICK TO YOUR GUNS. Fans von COMEBACK KID, IGNITE oder RISE AGAINST mögen mit der Zunge schnalzen, mein Ding ist es jedenfalls nicht. Stücke wie der Titelsong "Diamond" walzen sich eher schleppend in die Gehörgange, dazu kommen erwartungsgemäß die typischen Emo/Screamo-Vocals, die spätestens ab dem dritten Song nur noch langweilen.

EMPOWERMENT mögen nicht eingeordnet werden. Okay, fair enough. Auf »Gegenkult« bemühen sich die Jungs auch in der Tat um Eigenständigkeit. Beim ersten Song "Demaskierung" gurgeln die Vocals so schön, dass man glaubt, der gute John Joseph turnt hinter dem Mikro. Stücke wie "Stuttgart asozial" bieten trotz ihrer Deutschsprachigkeit keinen dumpfen Proll-Oi! oder ONKELZ-Abklatsch. Nein, Metal trifft auf Hardcore trifft auf Punk und all das mit einer ganze eigenen Note. Echt überraschend. So hat mich am Anfang TOETENMOND auch fasziniert, ganz andere Mucke, aber auch bei EMPOWERMENT kommt das alles von Herzen.

"What you see is what you get" könnte getrost das Motto von STRENGTH APPROACH lauten. Auf »With or without you« nehmen die Jungs keine Gefangenen und böllern los, was das Zeug hält. Straight in your Face old school Hardcore. Der allerdings schon bald ein wenig langweilig wird. Gut gefallen hat mir neben der Eigenkomposition "Stand your Ground" auch das krachige WARZONE-Cover "Dance hard or die".

Tja, unter »Barfight Music« wird sich sicherlich jeder etwas vorstellen können. Vielleicht aber auch jeder etwas anderers. Nun denn, die Deutungshoheit haben in diesem Falle aber SYSTEMATIC ERADICATION, denn so lautet der Titel ihrer aktuellen CD, Die immerhin 13 Songs bieten eine recht krude Mischung aus Hardcore, Death Metal (ja, wirklich!) und beswingtem Rock 'n' Roll. Das mag sich auf dem Papier zwar ganz gut anhören, aber mir ist es insgesamt doch etwas zu aufgesetzt. Der SOCIAL-DISTORTION-Faktor ist jedenfalls fast gleich null.

Deathcore/Metalcore aus Erfurt in Thüringen. Okay, wer's braucht ... Ich jedenfalls nicht. »Slave of the modern Age« umfasst sieben Stücke (inklusive Intro), zu wenig also für einen aussgekräftigen Longplayer aber vielleicht ist das ja auch erst einmal ein Versuchsballon von A DREADFUL VISION. Mir ist's ganz einfach zu hektisch und zu modern.

Aus der Stadt des designierten Absteigers aus der 2. Fußballbundesliga kommen MOST WANTED MONSTER. Nämlich aus Karlsruhe. Was für ein komischer Bandname. Und die Musik auf der CD »Bipolar« gefällt mir auch nicht besser. Was soll das sein? Mainstream-Pop-Punk? Oder einfach nur Rock? Vielleicht eher letzteres, denn wenn der SWR3 die Band bereits als "vielversprechenden Newcomer" bezeichnet, dann spricht das wohl bereits Bände. Öde Möchtegern-Mainstream-Mucke auf Indie-Label. Das funktioniert nur, wenn man GREEN DAY heißt ...

Bleiben wir gleich im Süden der Republik und gehen weiter nach Ulm. STILL BLEAK bieten auf »What about Pursuit of Justice« eine Mischung aus Punk und Hardcore, leider mit dem typischen zweistimmigen Gesang, mal melodisch-euphorisch, mal herausgebrüllt. Auf diese Dualität bin ich noch nie sonderlich abgefahren. Das klingt am Ende doch immer ein wenig wirr und macht die guten Ansätze, die auf Songs wie "Trust in better Times" oder "Nothing" durchaus zu erkennen sind, gleich wieder zunichte. Bei nur vier Songs kann ich mir aber auch in diesem Falle kein abschließendes Urteil bilden.

Ein geiles Coverartwork haben THE CONVOIS aus Trier schon einmal am Start. Und sie warten mit einer kompletten CD auf, die zehn Stücke umfasst. »Ocean's Tales« ist dann auch eine durchaus konkurrenzfähige Angelegenheit. Nummern wie "This is the Way" oder "Anthem of your Words" finden mein Gefallen. Wenn da nur nicht die indes zum Glück nur sehr wohldosiert eingesetzten Screamo-Vocalparts wären. Bei cleanem Gesang sind THE CONVOIS echt 'ne Wucht und erinnern mich hier und da an eine gediegene Mischung aus DAG NASTY und den alten FUGAZI mit einem Schuß H20.

THIS IS THE TIME treffen mit »Cross X« genau meinen Geschmack. Kurze, knackige Hardcore-Hymnen wie "No Substance" (mit gurem Mitgröhl-Faktor), "Stand still" oder "This means nothing" haben eine extreme New-York-Schlagseite. Klingt aber trotzdem niemals aufgesetzt. Ist sehr old-schoolig, aber trotzdem gut produziert und mit eigener Note. Als nicht stumpfes Kopieren von AGNOSTIC FRONT , WARZONE oder JUDGE, sondern auch ein bißchen SUPERTOUCH-Groove und THE ICEMEN-Komplexität. Weiter so, Jungs. Live bestimmt 'nen Knaller ...

Irgendwie komme ich in der heutigen Zeit nicht ganz klar mit dem Konzept der lediglich vier bis fünf Songs umfassenden Mini-CD. Eine eben solche legen auch die THROWOUTS in Form von »Working Class Tradition« vor. Songs wie "Parasites", "Working Class Tradition" und "77 Roots" sind wirklich klasse, nur hätte ich einfach gerne mehr davon. Das Material erinnert stark an melodischen Frühachtziger Brit-Oi!, massive Einflüsse von COCK SPARRER, ein wenig Glam, RESISTANCE 77 und auch THE CRACK sowie THE GUTTERSNIPES. Hoher Hitfaktor. Sehr guter Stoff!

Zusammenstellung: Matthias Mader